Mikrobiologisches Praktikum

- Anreicherung von sporenbildenden Bodenbakterien -



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Versuchsziel:

In diesem Versuch sollen saccharolytische Sporenbildner unter verschiedenen Bedingungen (aerob, anaerob) angereichert werden.

Theoretische Grundlagen:

Verschiedene Bakterien bilden unter Nährstoffmangelbedingungen oder bei Stress, der durch andere Faktoren bedingt ist (z.B. erhöhte Temperatur), Dauerformen in Form von Sporen aus. Diese Sporen werden durch eine inäquale Zellteilung gebildet, bei der die Tochterzelle zunächst in der Mutterzelle verbleibt und eine charakteristische Entwicklung durchläuft, wobei zusätzliches Zellwandmaterial von der Mutterzelle auf die Tochterzelle aufgelagert wird und der sich bildenden Spore zunehmend Wasser entzogen wird. Ferner kommt es zur Einlagerung von Dipicolinsäure und Calcium-Ionen, die später bei der Auskeimung durch Wasser ersetzt werden (Quellung). Die Sporenbildung verläuft bei den verschiedenen sporenbildenden Arten so charakteristisch, dass sich häufig anhand der Lage und der Sporenform die Bakterienart bestimmen lässt. Es lassen sich drei Gruppen von Sporen unterscheiden:
Gruppe 1: Sporenform: oval, zylindrisch, nicht breiter als Mutterzelle; Sporenlage: zentral, terminal
Gruppe 2: Sporenform: oval, selten zylindrisch, wesentlich breiter als Mutterzelle, dadurch Mutterzelle keulen- oder spindelförmig ("Clostridium"-Form); Sporenlage: zentral, terminal
Gruppe 3: Sporenform: rund, wesentlich breiter als die Mutterzelle, dadurch Mutterzelle trommelschlegelförmig ("Plectridium"-Form); Sporenlage: terminal, subterminal
Nach erfolgter Sporenbildung wird diese unter Autolyse der Mutterzelle freigesetzt. Als Dauerform sind Sporen äusserst resistent gegen widrige Umwelteinflüsse, wie z.B. UV-Strahlung, extreme Temperaturen oder aggressive Chemikalien, was sie dazu befähigt, mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte zu überleben. Die Existenz von Sporen macht auch das Autoklavieren und andere Sterilisationsmethoden bei mikrobiologischen Arbeiten erforderlich.
Die prominentesten Vertreter dieser auch als Endosporenbildner bezeichneten Gruppe sind Angehörige der Gattungen Clostridium und Bacillus. Diese Gattungen gehören zu den gram-positiven Bakterien mit niedrigem GC-Gehalt, die auch als Phylum der Firmicutes zusammengefasst werden. Der Lebensraum dieser Gattungen ist der Boden und marine Sedimente. Ferner treten sie als Verderbniserreger von Lebensmitteln in Erscheinung. Bacillus kommt darüber hinaus noch im Süss- und Meerwasser vor, Clostridium im Verdauungstrakt der Vertebrata (Wirbeltiere), Süsswassersedimenten, sich zersetzendem Pflanzenmaterial und Abwässern. Die Lebensweise von Bacillus, insbesondere von Bacillus subtilis ist in der Literatur nicht immer einheitlich dargestellt, aber sie werden i.d.R. als aerobe und/oder fakultativ anaerobe Organismen beschrieben. Die in diesem Versuch als Kontrollstamm benutzten Bacilli subtili sind stäbchenförmige Bakterien und gehören nach der Form der Sporen der Gruppe 1 an. Als Besonderheit ist Bacillus subtilis in der Lage Harnstoff zu verwerten, indem es mittels dem Nickel-haltigen Enzym Urease Harnstoff in Ammoniak und Kohlensäure bzw. Kohlendioxid und Wasser aufspaltet, gemäss der Summenformel:
NH2CONH2 -> NH3 + H2CO3 (-> CO2 + H2)
Da Ammoniak in wässriger Lösung Ammonium-Ionen bildet und diese leicht alkalisch wirken, wird das Medium in einem geschlossenen System bezüglich des pH-Wertes zum basischen verschoben.
Clostridium-Arten sind strikt anaerob lebende Organismen, für die elementarer Sauerstoff toxisch wirkt, da sie nicht über Cytochrome und Katalase verfügen. Man unterscheidet bezüglich des verwendeten Substrats kohlenhydratverwertende oder saccharolytische Clostridien und solche, die Aminosäuren (peptidolytische Clostridien) oder Nukleinsäuren verwerten können. Die saccharolytischen Clostridien gewinnen ihre Energie durch Buttersäuregärung, wobei als Ausgangsprodukte Zucker die Glykolyse bis zum Pyruvat durchlaufen und dann über Acetyl-CoA und verschiedene Intermediate zu Buttersäure abgebaut werden, wobei insgesamt 3 ATP gewonnen werden. Als Nebenprodukte entstehen Acetat und Ethanol. Clostridium acetobutylicum ist bei zu starkem Abfall des pH-Wertes darüberhinaus in der Lage, von der Buttersäuregärung auf die Butanol- oder Lösungsmittelgärung umzustellen, indem es entstehende Buttersäure zu Butanol reduziert, sowie Acetoacetat zu Aceton decarboxyliert und weiter zu Propanol reduziert. Hinsichtlich der Sporen werden Clostridien der Gruppe 1 oder 2 zugeordnet. Ferner sei noch erwähnt, dass es unter den Clostridien auch pathogene Vertreter gibt, wie etwa C. tetanii, Erreger des Wundstarrkrampfes und C. botulinum ein Fleisch-Verderbniserreger und Produzent des äusserst giftigen Exotoxins Botulinumtoxin.
Um saccharolytische Clostridien anzureichern, bedient man sich einer mit einer Bodenprobe versetzten, submersen Kartoffelkultur, bei der Clostridien optimale Wachstumsbedingungen und ausreichend Substrat vorfinden. Zur weiterer Isolierung wird die Probe pasteurisiert (Erhitzen auf 70 °C), damit man die vegetativen Zellen abtötet, die Sporen aber erhält und dann anaerob inkubiert. Hier ist ein Verfahren der Wahl die Anwendung von Anaerobentöpfen. Dies sind Gefässe, bei denen eine sauerstofffreie und kohlendioxidreiche Atmosphäre durch einen chemischen Gasgenerator, der durch Wasserzugabe aktiviert wird, erzielt wird. Der Sauerstoff wird dabei durch zweiwertiges Eisen, das zu Eisenhydroxid reagiert, gebunden und Kohlendioxid wird durch eine Reaktion von Citronensäure und Natriumcarbonat erzeugt. Fertige 'Anaeroben-Kits' mit zugehörigen Gefäss, Gasgenerator und Indikator sind zum Beispiel von der Firma Merck erhältlich (Anaerocult® A oder C und Anaerotest®). Zur längerfristigen Inkubation und Aufbewahrung von anaeroben Kulturen empfiehlt sich eine Anaerobenkammer, bei der unter einer sauerstofffreien, künstlichen Atmosphäre gearbeitet wird. [1], [2], [3], [4]

Versuchsdurchführung:

1. Woche
In der ersten Woche des Versuchs wurde eine handelsübliche Kartoffel mit dem Messer längs halbiert und eine Hälfte der Schnittfläche mehrmals tief angestochen. Diese Kartoffelhälfte wurde mit luftgetrockneter, gesiebter Gartenerde derart beimpft, dass die Kartoffelhälfte gut mit der Gartenerde bedeckt wurde. Die beimpfte Kartoffelhälfte wurde in einen verschliessbaren Plastikbecher gelegt und dieser dann mit Leitungswasser befüllt, so dass die Kartoffelhälfte gerade mit Wasser bedeckt war. Der Becher wurde nun verschlossen, indem der Deckel nur leicht zugedreht wurde (um eine Entlüftung zu gewährleisten). Dann wurde der Becher für 4 Tage bei 35 °C inkubiert.

2. Woche
In der zweiten Woche wurde eine Geruchsprobe an dem leicht geöffneten Becher vorgenommen, sowie mit der ausgeglühten Impföse etwas Material aus dem Inneren der Kartoffelhälfte entnommmen und in wenig sterilem Wasser supendiert. Diese Zellsuspension wurde nun für 10 min bei 70 °C erhitzt (pasteurisiert). Nun wurden insgesamt 6 Agarplatten beimpft und zwar je 2 Harnstoff-, 2 CASO- und 2 "But"-Agarplatten. Die Beimpfung erfolgte so, dass jede Platte gedrittelt wurde und je Drittel ein Inokulum des Pasteurisats, ein Inokulum einer Reinkultur von Bacillus subtilis und ein Inokulum von Clostridium butyricum als Kontrollorganismen aufgetragen wurde. Die Agarplatten hatten folgende Zusammensetzung:

Harnstoff-Agar (HS-Agar)
zu 1000 ml Aqua demin. wurden zugesetzt:
  • 30,0 g Harnstoff
  • 20,0 g Agar
  • 5,0 g  Pepton aus Fleisch
  • 2,0 g  Hefeextrakt
  • 1,0 g  Fleischextrakt
  • 0,05 g Magnesiumsulfat-Hydrat (MgSO4 x H2O)
Der Agar hatte einen pH-Wert von etwa 9.

Clostridium butyricum-Agar ("But"-Agar)
zu 1000 ml Aqua demin. wurden zugesetzt:
  • 20,0 g Agar
  • 10,0 g Trypton
  • 5,0 g  Hefeextrakt
  • 2,0 g  Glucose
  • 1,0 g  Natriumascorbat
  • 1,0 g  Di-Kaliumhydrogenphosphat (K2HPO4)
  • 0,5 g  Magnesiumsulfat-Hydrat (MgSO4 x 7 H2O)
  • 0,5 g  Natriumchlorid (NaCl)
  • 0,1 g  Calciumchlorid-Hydrat (CaCl2 x 2 H2O)
  • 0,005 g Manganchlorid-Hydrat (MnCl2 x 4 H2O)
  • 1 ml EDTA-Spurenelement Lösung (s.a. Anmerkung im Protokoll F des Mikrobiologischen Praktikums)
Der Agar hatte einen pH-Wert von 7,2.

Caseinpepton-Sojamehlpepton-Agar (CASO-Agar)
zu 1000 ml Aqua demin. wurden zugesetzt:
  • 17,0 g Protease-Pepton
  • 15,0 g Agar
  • 5,0 g  Natriumchlorid (NaCl)
  • 3,0 g  Sojamehlpepton
  • 2,5 g  D(+)-Glucose
  • 2,5 g  Di-Natriumhydrogenphosphat (Na2HPO4)
Der Agar hatte einen pH-Wert von 7,3.

Je eine der Harnstoff-, CASO- und "But"-Agarplatten wurde aerob bei 35 °C für 2 Tage bebrütet, die anderen Agarplatten wurden parallel dazu für 2 Tage bei 35 °C anaerob im Anaerobentopf bebrütet. Die Beschickung des Anaerobentopfes erfolgte derart, dass die Agarplatten mit der Oberseite nach unten in das dafür vorgesehene Gestell gelegt wurden. Zwischen die Platten wurde ein Anaerobiose-Indikatorstreifen (s. Abb. 1) gelegt und dann wurde der Gasgenerator mit 35 ml Wasser (s. Abb. 2) befeuchtet, an dem Plattengestell an einer dafür vorgesehenen Halterung befestigt und der Anaerobentopf dann zügig verschlossen.

Merck Anaerotest® Indikator Merck Anaerocult® Gasgenerator
Merck Anaerocult® Gasgenerator
Abb. 1: Merck Anaerotest® IndikatorstreifenAbb. 2: Anaerocult® Gasgenerator Label

3. Woche
In der dritten Woche wurden die inkubierten Agarplatten daraufhin überprüft, ob bakterielles Wachstum stattgefunden hatte. Ferner wurden von enstandenen Kolonien Zellmaterial suspendiert und zwar je einmal von dem Pasteurisat des aerob inkubierten "But'-Agars, von Bacillus subtilis des aerob inkubierten "But"-Agars und von Clostridium butyricum des anaerob inkubierten CASO-Agars. Von diesen Zellsuspensionen wurden Präparate angefertigt und diese mikroskopiert.

Ergebnis:

2. Woche
Die Geruchsprobe an dem leicht geöffneten Becher mit der inkubierten Kartoffelhälfte, ergab, dass dem Becherinhalt ein stechender, Übelkeit erregender und stark nach Buttersäure riechender Geruch entströmte.
3. Woche
Das Ergebnis der Agarplattenauswertung ist in der folgenden Tabelle dargestellt:

Tab. 1: Auswertung Koloniewachstum
Clostridium butyricumBacillus subtilisPasteurisat
aerobanaerobaerobanaerobaerobanaerob
+ : Kolonien deutlich vorhanden
- : Kolonien nicht vorhanden
~ : Koloniewachstum nicht eindeutig
<ziffer> : Anzahl der Kolonien
? : vermutete Kontaminante
CASO:1 ?++~++
"But":-~+~++
HS:-~+~+~

Anmerkungen: Die Eintragungen der Tabelle, die das Koloniewachstum als nicht eindeutig klassifizieren (~ - Symbol), sind so zu deuten, dass bei einigen Feldern der Agarplatten nur sehr schwaches und meist untypisches (d.h. z.B. dass anstatt Kolonien nur ein leichter Belag zu erkennen war) Koloniewachstum zu erkennen war.
Bei den mikroskopierten Präparaten war nur in dem Präparat von Bacillus subtilis von dem aerob inkubierten "But"-Agar Sporenbildung zu erkennen, bei den beiden anderen Präparaten überwogen vegetative Zellen und eindeutige, d.h. arttypische, Sporenbildung war nicht feststellbar.

Ergebnisdiskussion:

Es lässt sich sagen, dass der Agarplattenausstrich nicht so verlaufen ist, wie man dies erwartet hätte und so muss man den Versuch, wenn auch nicht als völlig missglückt, so doch als fehlgeschlagen bezeichnen, zumindest, was die Eindeutigkeit der Ergebnisse angeht.
So hätte man für den anaerob inkubierten "But"-Agar eine klare Herausdifferenzierung von der Kontrollkultur Clostridium butyricum erwartet, stattdessen war eindeutiges Wachstum nur auf dem CASO-Agar zu erkennen. Insgesamt hatten sich jedoch auf keinem der aerob inkubierten Nährböden Clostridium butyricum-Kolonien gebildet, sieht man von der einen Kolonie des CASO-Agars ab, bei der es sich wahrscheinlich um eine Kontaminante handelte. Somit konnte das strikt anaerobe Verhalten von Clostridium butyricum gezeigt werden. Wie für die Clostridien, gilt ähnliches auch für die Bacillus subtilis-Kontrolle: Hier hätte man erwartet, dass sich Bacillus subtilis-Kolonien besonders eindeutig auf dem HS-Agar herausbilden, da Bacillus subtilis über ein Enzym Urease verfügt, welches es befähigt, Harnstoff zu verwerten. Eindeutiges Wachstum war jedoch auf allen aerob inkubierten Agarplatten festzustellen, während auf allen anaerob inkubierten Platten zwar ansatzweise Wachstum zu erkennen war (eine Art "Flaum"), aber man dies nicht eindeutig zuordnen konnte. Da Bacillus subtilis zu aerober und fakultativ anaerober Lebensweise befähigt ist, entspricht der Befund zumindest dem Nachweis der aeroben Lebensweise. Auch die Auswertung der Ausstriche des Pasteurisats kann als nicht eindeutig bezeichnet werden, da auf allen Agarplatten, sowohl auf den aerob und den anaerob inkubierten Platten Wachstum feststellbar war, bis auf den anaerob bebrüteten HS-Agar, sogar eindeutig. Hier hätte man, wenn man davon ausgeht, dass bei dem Pasteurisieren alle vegetativen Zellen absterben und nur Sporen in der ausgestrichenen Suspension verbleiben, erwartet, dass auf dem anaerob inkubierten "But"-Agar eindeutiges Wachstum durch saccharolytische, sporenbildende Clostridien erfolgte, während man auf den aerob inkubierten Agarplatten kein oder nur sehr schwaches Wachstum durch Arten fakultativ anaerober Sporenbildner erwartet hätte. Da nun auf fast allen Nährmedien Wachstum erfolgt ist, lässt sich nur spekulieren, um welche Arten es sich genau handelt. Zumindest kann man behaupten, dass es sich bei dem auf dem aerob inkubierten HS-Agar erfolgten Wachstum wahrscheinlich um Bacillus subtilis und bei dem aerob inkubierten CASO-Agar um prototrophe Bacilli (also möglicherweise auch Bacillus subtilis) handelte.
Für alle Agarplatten kann man aber festhalten, dass keiner der Ausstriche zu dedizierter Koloniebildung geführt hatte, sondern dass alles Wachstum in Form eines diffusen "Bakterienrasen" auftrat, der keinerlei eindeutige morphologische Bestimmung zuliess. Dies könnte entweder auf eine zu geringe Verdünnung des Ausstrichmaterials oder auf eine zu lange Inkubation der Agarplatten zurückzuführen sein. Auch das Pasteurisat und der Anreicherungsansatz muss hinterfragt werden.

Referenzen:

[1] Bast, E. 'Mikrobiologische Methoden', 2. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag 2001
[2] Fuchs, G. (Ed.) 'Allgemeine Mikrobiologie', 8. Auflage, Georg Thieme Verlag 2007
[3] Merck KGaA
[4] MicrobeWiki, Kenyon College, Gambier, OH, USA, Clostridium



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Letzte Aktualisierung: 02.02.24