Dieses Glossar enthält z.Zt. über 1100 Einträge (ca. 650 Fachbegriffe und 500 Taxa) und entstand ursprünglich während der zoologischen Module des Biologie Bachelorstudiums.
Seitdem wurde es in unregelmässigen Abständen, aber dennoch beständig, erweitert.
Es ergänzt sich mit den Glossaren der
Immunbiologischen Fachbegriffe,
dem
Glossar cytologischer, biochemischer und mikrobiologischer Fachbegriffe
und dem
Botanischen Glossar zu einer Sammlung biologischer Fachausdrücke.
Die Glossare sind, allein schon wegen des wesentlich geringeren Umfangs, nicht als Konkurrenz zu
Wikipedia gedacht,
obwohl die Wikipedia zahlreiche, als exzellent ausgezeichnete Artikel aus dem Themengebiet der Zoologie enthält und viele Informationen von dort stammen.
Andererseits waren Einträge in den Glossaren auch Anlass zur Neuanlage und Bearbeitung von Artikeln in dem Wikipedia Online-Lexikon.
Zweck dieser Glossare ist vielmehr, eine, auf eine Webseite komprimierte Übersicht der wichtigsten Begriffe aus einem Fachgebiet zu geben und so dazu beizutragen,
die mittlerweile nahezu unüberschaubare Fachterminologie der Biologie zu "bändigen".
Dies sollte insb. beim Lesen von Fachliteratur hilfreich sein, da man immer wieder mit neuen Spezialbegriffen, Methoden,
Abkürzungen und Chemikaliennamen konfrontiert wird, deren Recherche u.U. sehr viel Zeit in Anspruch nehmen kann.
Das hier dargestellte 'Phylogenetische System der Tiere und Glossar zoologischer Fachbegriffe' behandelt die vielzelligen Tiere (
Metazoa) und
klammert die einzelligen, tierischen Lebewesen (
Protozoa) vorerst aus.
Aufgrund der fragmentarischen Entstehungsweise bleibt die Zusammenstellung der Fachbegriffe leider streckenweise lückenhaft und inkohärent.
Dieser Tatbestand wird auch dadurch verdeutlicht, dass etwa 1,2 Mio. Arten von vielzelligen Tieren beschrieben sind, Schätzungen jedoch von 10-20 Mio. (!) derzeit existierenden Arten ausgehen.
In der hierarchischen, systematischen Ordnung der
Metazoa finden sich, absteigend bis auf die Ebene von Familien, allein über 7000
Taxa,
während in dem hier präsentierten System gerade einmal ca. 400 Taxa erwähnt sind.
Ein bis auf die Ebene der Rangstufe des Genus weitestgehend vollständiger, hierachischer Stammbaum des Tierreichs kann im Internet bspw. als
ITIS Hierachical Report abgerufen werden.
Allerdings kann Vollständigkeit nicht der Anspruch und das Ziel des hier verwendeten Systems sein,
sondern es geht vielmehr darum, eine wesentliche Grundordnung des zoologischen Systems zu repräsentieren.
So gliedert sich das Glossar in einen Phylogenetischen Stammbaum, einen Abschnitt allgemeiner Fachbegriffe und
einen dem Stammbaum entsprechenden und mit diesem verlinkten Teil, in dem die Merkmale und Besonderheiten der einzelnen Tiergruppen, sowie taxonspezifische Fachbegriffe aufgeführt sind.
Neben der Unvollständigkeit treten innerhalb der Definitionen der 'Termini technii' sicherlich auch immer wieder Ungenauigkeiten, Fehler, 'broken links' etc. auf.
Trotz grösstmöglicher Sorgfalt, lassen sich solche Unzulänglichkeiten leider nicht immer gänzlich ausschliessen,
sei es aufgrund fälschlich übernommener Informationen, Wandel der wissenschaftlichen Erkenntnis, Schreibfehlern oder einfachen Missverständnissen.
Grundsätzlich lassen sich aber alle hier dargestellten Informationen anhand der im Abschnitt
Referenzen aufgelisteten Quellen oder
anhand anderer Literatur überprüfen und gegebenenfalls nachvollziehen.
Auch wurden einige nicht ganz so ernst zu nehmende "Ostereier", die sich während des Schreibens ergeben haben, beibehalten.
Es sei dem Leser überlassen diese aufzuspüren.
Grössere und kleinere Schwierigkeiten ergaben sich beim Zusammentragen der Informationen und Fakten v.a. hinsichtlich der "Homologisierung" der zoologischen Fachbegriffe.
So ist in der zool. Literatur z.B. nicht immer klar, wann ein Fachbegriff eine spezifische anatomisch-morphologische Konstitution z.B. eines bestimmten Taxons beschreibt und
wann ein Fachbegriff für allgemein im Tierreich auftretende Strukturen verwendet wird.
Dies ist sicherlich historisch begründet, da der Versuch zu einer Ordnung des Tierreichs schon im Altertum ihren Anfang nahm.
So sind viele griechische und lateinische Fachbegriffe insb. der Anatomie sicherlich klassisch begründet,
beschreiben aber häufig nur oberflächliche Verhältnisse und weisen oft eine Mehrdeutigkeit auf,
so dass aufgrund gleichlautender Begrifflichkeiten noch lange nicht auf Ähnlichkeiten im Sinne einer gleichartigen
Ontogenese der zugrundeliegenden Strukturen,
noch auf Verwandtschaftsverhältnisse im Sinne einer evolutionären Entwicklungsreihe geschlossen werden kann.
Hilfreich ist es sicherlich, sich mit dem eigentlichen Wortsinne der griechischen und lateinischen Fachbegriffe vertraut zu machen;
eine Auseinandersetzung mit den auftretenden Mehrdeutigkeiten lässt sich aber meist nicht vermeiden.
Trotz der erwähnten Unzulänglichkeiten hoffe ich dennoch, dass dieses Glossar der oder dem einen oder anderen nützliche Dienste erweist.
Die Ordnung und des hier verwendeten Phylogenetischen Systems beruht im wesentlichen auf dem Vorlesungsmaterial aus dem Modul BP02 'Morphologie und Evolution der Tiere' des WS 2009/10 an der
Universität Bonn und
folgt vom grundlegenden Konzept her dem Praktikumsskript von Prof. Bartholomäus und Dr. von Döhren vom
Institut für Evolutionbiologie und Ökologie [a01].
Das in diesem Praktikum vertretene System der Tiere orientiert sich, zumindest was die grobe Einteilung des Tierreichs angeht, an einem entwicklungsbiologischen Konzept,
d.h. ein Schwerpunkt bei der Zusammenfassung von Tiergruppen unter höherrangige Taxa wird auf die verschiedenen Entwicklungstypen gelegt,
wie sie insb. in den unterschiedlichen Furchungstypen bei der Embryonalentwicklung zum Ausdruck kommen, so v.a. in den Gruppen der
Radialia und der
Spiralia.
Dieses System wurde tlw. ergänzt (u.a. mit Material aus
[a02], [a03], [w01], [w02], [w03], [w06], [w07], [w08]);
umstrittene Klassifikationen sind durch ein
'*' gekennzeichnet.
Da sich das Phylogenetische System aufgrund neu hinzukommender Erkenntnisse im Sinne eines "ewig provisorischen Systems" (frei nach einer Formulierung von
Dr. H. Fritz) laufend wandelt, können manche Einträge bereits veraltet sein;
dennoch sollte die hier dargestellte Grundordnung noch für eine Weile Bestand haben.
Jedoch verfolgen andere, z.T. modernere Systematiken ein anderes Grundkonzept und legen bspw. ihren Schwerpunkt eher auf molekularbiologische Erkenntnisse,
während entwicklungsbiologische Merkmale in den Hintergrund treten.
Umstritten ist vor allem die Einordnung der
Nemathelminthes und die damit verbundene Diskussion des
Articulata vs.
Ecdysozoa-Konzeptes.
Auch die Klassifikation und Einordnung der
Lophophorata (
Tentaculata) ist kontrovers.
Ferner ergibt sich bei der hier angewendeten dichotomen Darstellung des phylogenetischen Systems häufig ein Problem mit den klassischen Rangstufen des sog. natürlichen Systems der Tiere,
also den übergeordneten Taxa wie Klasse oder Familie u.ä, wie sie typischerweise im hierarchisch gegliederten, natürlichen System der Tiere verwendet werden.
So stehen Schwestergruppen einer dichotomen Verzweigung häufig nicht zwangsläufig auf derselben Rangstufe,
sondern meist werden weitere Zwischenstufen ohne Rang eingeführt, was das System hinsichtlich der Rangstufen unübersichtlich macht.
Da die Rangstufen in der allg. und spez. Literatur jedoch weit verbreitet sind, habe ich versucht, diese auch hier aufzunehmen.
So werden die unterschiedlichen Rangstufen durch unterschiedliche Schriftgrösse zum Ausdruck gebracht, während die dichotome Verzweigung durch entsprechende Einrückung der Taxa kenntlich gemacht ist.
Andererseits lässt sich die Dichotomie nicht bis in die letzten Glieder einer Gruppe durchhalten (z.B. bis auf die Ebene der Spezies), daher entsprechen Taxa gleicher Einrückung nur bei der äusseren Systematik, d.h. den höherrangigen Taxa, Schwesterngruppen ("Grobgliederung"),
während bei der Darstellung der niederrangigen Taxa (meist Klassen, Ordnungen oder Familien) in der inneren Systematik die Dichotomie häufig durchbrochen wird und mehrere Taxa nebeneinander auf gleicher Einrückung stehen
(z.B. die verschiedenen Klassen der
Mollusca oder die verschiedenen Ordnungen der
Amphibia).
Im Ansatz versucht das hier dargestellte System der
Metazoa also verschiedenen Klassifikationsansätzen der Zoologie gerecht zu werden und
kann in dieser Hinsicht durchaus als eklektisch bezeichnet werden.
Dabei entspricht die dichotome Grundordnung den Vorstellungen der sog.
Phylogenetischen Systematik, wie sie insb. von W. Hennig (1913-1976) vorgeschlagen wurde.
Bei diesem Ansatz steht besonders die dichtome Aufspaltung der Arten im Vordergrund, bei der die jeweiligen Vorläuferarten aussterben bzw. von den neu entstandenen Tochterarten verdrängt werden.
Verwandschaftliche Beziehungen werden dabei v.a. durch das Auffinden von
Synapomorphien, also gemeinsamen Merkmalen von Schwestergruppen, festgestellt.
Ferner wird im strikten Sinne des phylogenetischen Systems ein
monophyletisches Taxon als
Holophylum verstanden,
umfasst also
alle Entwicklungslinien einer Stammart,
so dass bspw. die
Aves (Vögel) und
Crocodilia (Krokodile) als Schwestergruppen in einem neuen, mono- bzw. holophyletischen Taxon, nämlich dem der
Archosauria, zusammengefasst werden.
Diese monophyletischen Taxa der Phylogenetischen Systematik werden auch als Kladen bezeichnet und der Verlauf ihrer Aufspaltung im Zuge der Evolution als Kladogenese aufgefasst.
Die daraus entstehende Logik, die sog. Kladistik, mit den Kladisten als ihren Vertretern, führt zu den nicht hierarchischen, dichotomen Verzweigungsmustern der Artentstehung, die in graphischer Darstellung als Phylo- oder Kladogramme bezeichnet werden.
Im Gegensatz dazu steht beim sog.
Natürlichen System die vergleichende
Anatomie mit den von ihr aufzuzeigenden, auf R. Owen (1804-1892) zurückgehenden
Homologien im Vordergrund der Klassifikationsbemühungen.
Bei der wissenschaftshistorisch älteren Auffassung des Natürlichen Systems geht es also zunächst darum, anhand von homologen Merkmalen verwandtschaftliche Beziehungen festzustellen und darauf beruhend Taxa zur Klassifikation zu entwickeln.
Solche, durch gemeinsame Merkmale geeinten Gruppen, stammen von einem Vorfahren ab und können als monophyletisch bezeichnet werden, ohne dass damit
alle Nachfahren im Sinne eines Holophylums erfasst werden.
Im natürlichen System wird auch nicht zwangsläufig davon ausgegangen, dass eine Stammart bei Aufspaltung in Tochterarten ausstirbt oder dass eine Aufspaltung grundsätzlich nur dichotom erfolgt,
so dass sich bei der graphischen Darstellung der Artentstehung ein hierarischer Stammbaum ergibt, in dem sich höherrangige Taxa auch in mehr als zwei Taxa niederen Rangs verzweigen können.
Bei der sog.
Evolutionären Klassifikation, die im wesentlichen auf E.W. Mayr (1904-2005) zurückgeht, wird der Schwerpunkt der Klassifikation auf die evolutionäre Entwicklung der Arten und dem damit verbundenen Merkmalswandel gelegt
und insb. den
Autapomorphien, also den evolutionären Neuerungen, besondere Bedeutung zugemessen.
Innerhalb der Evolutionären Klassifikation werden auch
paraphyletische Taxa, die zwar monophyletisch aber nicht holophyletisch im Sinne der phylogenetischen Systematik definiert sind, anerkannt, wie etwa die
Reptilia (Reptilien).
(zu diesem Abschnitt s.a. die einführenden Bemerkungen in
[a03])
Durch die Fortschritte in der Molekularbiologie und Genetik sind in moderner Zeit weitere Methoden zur Klärung von Verwandschaftsbeziehungen und Abstammungsverhältnissen hinzugekommen,
die zusammenfassend zur Disziplin der
molekularen Phylogenetik geführt haben, einer Disziplin, die sich in ihrer Logik mehr oder weniger eng an die Phylogenetische Systematik anlehnt.
So werden durch direkte, von mathematischen Algorithmen bestimmte Vergleiche des Erbmaterials, phylogenetische Zusammenhänge erschlossen und diese in Cladogrammen graphisch aufbereitet.
Das Erbmaterial, welches durch die Basenzusammensetzung und -abfolge der
DNA eines Organismus determiniert ist und in
Genen und nichtcodierenden Abschnitten im sog.
Genom organisiert ist,
lässt sich als charakteristische Information eines Organismus bzw. einer Spezies auffassen,
welche sich im Laufe der Evolution durch die Prozesse von Mutation, Replikation, Transposition und horizontalem Gentransfer in unzähligen Zyklen von Replikation und Teilung wandelt und so,
ausgehend von einer Stammart, in einem bestimmten Grade divergiert und dadurch u.U. zur Entstehung neuer Arten führt.
Insb. ausgehend von den Arbeiten Woese's (1928-2012) sind dabei häufig die Gene der
ribosomalen DNA (
rDNA) Gegenstand der Untersuchung,
da diese, aufgrund der elementaren Bedeutung des Ribosoms auf zellulärer Ebene, als hochkonserviert gelten und entsprechend Veränderungen in diesen Genen den Wandel der Arten bestmöglichst repräsentieren.
Auch auf der Ebene von
Proteinen, die ja auch als reguläres Merkmal eines Organismus aufgefasst werden können,
lassen sich durch solche statistischen Vergleichsverfahren Rückschlüsse auf mögliche Verwandschaftsverhältnisse zwischen den Spezies ziehen.
Diese Verfahren bieten den Vorteil, das sie durch Verwendung der Erbinformation eines Organismus und der Anwendung mathematischer Verfahren,
reproduzierbare und wissenschaftstheoretisch exakte Ergebnisse liefern und zudem durch die Möglichkeiten der modernen Informationstechnologie (z.B. umfangreiche Datenbanken oder Supercomputer),
den Vergleich einer grossen Anzahl von Organismen ermöglichen.
Durch eine solche Herangehensweise werden die durch die subjektiven Beobachtungen einzelner Forscher gemachten Schlussfolgerungen weitestgehend objektiviert
und die aus dieser klassischen Art der Forschung resultierenden Konflikte minimiert.
Daher geniessen diese Verfahren in der Evolutionsforschung mittlerweile eine grosse Anerkennung und zählen zum wissenschaftlichen Standard.
Eine Einführung in die Thematik und Techniken der Phylogenetischen Systematik bietet bspw. eine Lehrbuch von Knoop & Müller
[a08].
Dennoch kann man dieser Art der Methodik auch kritisch gegenüberstehen, da verschiedene Aspekte häufig unberücksichtigt bleiben oder
missverständliche und leichtfertige Interpretationen der Ergebnisse einen falschen Eindruck der tatsächlichen Abstammungsverhältnisse vermitteln.
So werden häufig nur einzelne Gene oder bestimmte DNA Sequenzen unterschiedlicher Spezies miteinander verglichen, obwohl jeder Organismus insb. bei den
Metazoa über Tausende dieser Informationseinheiten verfügt.
D.h. die durch die mathematischen Verfahren gemachten Aussagen hinsichtlich der Verwandtschaftsverhältnisse, sowie die aufgrund dieser Ergebnisse erstellten Stammbäume betreffen nur jeweils das untersuchte Gen bzw. dessen Produkt
und nicht den ganzen Organismus.
Korrekter wäre zu formulieren, dass solche Ergebnisse nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die relativen, evolutionären Abstände bezüglich der untersuchten Sequenz bzw. des Gens oder Proteins ausdrücken.
Zudem bleibt trotz der grösstmöglichen Akkuratheit des Verfahrens die Auswahl des untersuchten Gens oder der verglichenen Sequenz mehr oder minder willkürlich
und damit erfolgt eine Wertung des untersuchten Merkmals hinsichtlich der Bedeutung, die dieses Merkmal für die Verwandschaftsverhältnisse und damit die Phylogenese der untersuchten Spezies hat.
Diese Schwierigkeit der Wichtung von Merkmalen, die u.a. in der Suche nach Plesio- und Apomorphien zum Ausdruck kommt, unterscheidet sich somit prinzipiell nicht von anderen Methoden, wie etwa der vgl. Anatomie.
Deshalb gilt es die zu phylogenetischen Untersuchungen herangezogenen Sequenzen sorgfältig auszuwählen.
Grundlage der vergleichenden algorithmischen Verfahren von DNA ist i.d.R. deren Veränderlichkeit durch die verschiedenen Mechanismen der Mutation.
Um Einheitlichkeit und eine Vergleichbarkeit herzustellen wird dabei zunächst von einer festgelegten, konstanten Mutationsrate (z.B. ausgedrückt in einer bestimmten Substitutionsrate der Nukleotide der DNA) ausgegangen,
deren Existenz jedoch i.d.R. hinterfragt werden kann, da insb. die Tatsache von äusserst unterschiedlichen Entwicklungen in strikt holophyletischen Gruppen nahelegt,
dass unterschiedliche Organismengruppen im Laufe ihrer Evolution auch unterschiedlichen Geschwindigkeiten von Veränderungen und damit unterschiedlichen Mutationsraten ausgesetzt werden.
Diesem Sachverhalt wird durch verschiedene Modellierungen begegnet, in denen Substitutionsraten und andere Parameter variiert werden.
Ferner bleiben Vorgänge des horizontalen Gentransfers, deren Bedeutung sich erst allmählich aufklärt, ähnlich wie auch bei anderen, z.B. rein anatomischen, Verfahren, i.d.R. unberücksichtigt.
Zudem finden sich insb. bei marinen Tierenarten immer wieder Belege dafür, dass spezielle chem. Verbindungen oder deren Vorläufer, die lange als spezifische Syntheseleistung der betreffenden Tierart angesehen wurden,
tatsächlich durch Mikroorganismen produziert werden, die meist in einer engen Lebensgemeinschaft mit solchen Tieren anzutreffen sind.
Dynamische Charakteristika, wie z.B. mehr oder minder programmatische Entwicklungsvorgänge, die durch eine Vielzahl verschiedener Faktoren bestimmt werden und die in der komplexen Morphogenese der Organismen münden,
können durch die molekulare Phylogenetik ebenfalls nur unzureichend abgedeckt werden, obwohl sich solche Prozesse bei verschiedenen Organismengruppen u.U. sehr wohl homologisieren lassen (wie z.B. die verschiedenen Furchungstypen).
Alle diese Faktoren führen dazu, dass die durch die Methoden der molekularen Phylogenetik festgestellten Verwandtschaftsverhätnisse und Evolutionsverläufe z.T. erheblich von denjenigen abweichen,
die durch "klassische" Methoden festgestellt werden.
Man muss sich also darüber im klaren sein, dass innerhalb des wissenschaftlichen Systems der Zoologie aufgrund der unterschiedlichen Methodik und nicht zuletzt auch wegen der zugrundegelegten Philosophie etliche Konflikte auftreten,
deren Bewältigung das geballte Wissen der Fachwelt wohl noch einige Zeit in Anspruch nehmen und etliches Kopfzerbrechen bereiten wird.
Trotz der herrschenden Konflikte und Schwierigkeiten wird aus dem dargelegten unschwer ersichtlich, dass die Abgrenzung der einzelnen Klassifikationsansätze voneinander nicht immer ganz scharf ist und diese in vielen Gesichtspunkten übereinstimmen.
Im Kern ähneln sich alle Klassifikationen darin, dass in der Taxonomie, also der Benennung und Gruppierung, die Evolution und die damit verbundene Phylogenese der Arten folgerichtig zum Ausdruck kommen soll.
Idealerweise sollten in eine solche Klassifikation auch die offensichtlichen, im Laufe der Evolution herausgebildeten, Unterschiede in der Morphologie,
wie sie v.a. in den unterschiedlichen "Bauplänen" und Organisationen der
Metazoa zum Ausdruck kommen, mit einfliessen.
Es sollte zudem jedem Biologen klar sein, dass jede taxonomische Klassifikation lediglich einen Versuch der grösstmöglichen Annäherung an die tatsächlichen
evolutionären Verhältnisse darstellt, aber grundsätzlich viele willkürliche und subjektive Elemente enthält,
deren Ursache in verschiedenen Sachverhalten begründet liegt.
Zum einen können die tatsächlichen Ab- bzw. Aufspaltungsereignisse der Arten, wie sie in den verschiedenen Kladogrammen und Stammbäumen als abrupte Verzweigungen zum Ausdruck kommen,
i.d.R. so nicht stattgefunden haben, sondern es muss eher von einem langsamen, sich in einem zeitlich-räumlichen Fluss befindlichen Prozess ausgegangen werden.
Insb. die höherrangigen Taxa müssen hierbei als artifizielle, willkürlich erstellte Gruppierungen angesehen werden, da sie zum einen auf der willkürlichen
Auswahl von Merkmalen bzw. Merkmalsgruppierungen basieren, zum anderen weil die durch sie postulierten Vorfahren der nachfolgenden Arten rein hypothetisch bleiben und
in den seltensten Fällen als tatsächliche Art, z.B. als fossile Form, nachgewiesen werden können. Dieser Sachverhalt wird auch noch dadurch erschwert,
dass je höherrangig ein Taxon ist, um so mehr Arten unter diesem zusammengefasst werden.
Damit steigt aber meist auch das hypothetische, erdgeschichtliche Alter der für dieses Taxon repräsentativen Art an und die Wahrscheinlichkeit zum Auffinden aussagekräftiger fossiler Belege schrumpft gleichermassen ab.
So ist bspw. durch die Klassifikation des Taxons der
Chordata noch nicht bewiesen, dass ein "Urchordat" als Stammart aller rezenten und fossilen Chordaten
jemals gelebt hat. Seine Existenz bleibt, entsprechend der fossilen Befunde, zunächst hypothetischer Natur.