Über dieses Glossar:
Dieses Glossar enthält z.Zt. über 500 Einträge und entstand ursprünglich während der immunbiologischen Kurse des Biologiestudiums an der Universität Bonn.
Seitdem wurde es in unregelmässigen Abständen, aber dennoch beständig, erweitert.
Das Glossar der Immunbiologischen Fachbegriffe ergänzt sich mit dem
Glossar der Zoologischen Fachbegriffe,
sowie dem
Glossar cytologischer, biochemischer und mikrobiologischer Fachbegriffe
und dem
Botanischen Glossar zu einer Sammlung biologischer Fachbegriffe.
Die Glossare sind, allein schon wegen des wesentlich geringeren Umfangs, nicht als Konkurrenz zu
Wikipedia gedacht, obwohl viele Informationen von dort stammen.
Andererseits waren Einträge in den Glossaren auch Anlass zur Neuanlage und Bearbeitung von Artikeln in dem Wikipedia Online-Lexikon.
Zweck dieser Glossare ist vielmehr, eine, auf eine Webseite komprimierte, Übersicht der wichtigsten Fachbegriffe aus der mittlerweile nahezu unüberschaubaren
Fachterminologie in der Biologie zu geben. Insbesondere das Fachgebiet der Immunbiologie bzw. Immunologie wird mittlerweile durch zahllose, i.d.R. englischsprachige Abkürzungen geprägt,
deren genaue Bedeutung häufig obskur bleibt.
Daher sollte dieses Glossar insb. beim Lesen von Fachliteratur hilfreich sein, da man immer wieder mit neuen Spezialbegriffen, Methoden,
Abkürzungen und Chemikaliennamen konfrontiert wird, deren Recherche u.U. sehr viel Zeit in Anspruch nehmen kann.
Allerdings kann eine solche Zusammenstellung von Fachbegriffen die Lektüre eines guten Fachbuches und der einschlägigen Fachliteratur nicht ersetzen.
Unschätzbar sind auch Erfahrungen aus der Laborarbeit und universitären oder ausser-universitären Praktika.
So wurden die in diesem Glossar der 'Fachbegriffe der Immunbiologie' verwendeten Informationen in teilweise mühseliger Recherche zusammengetragen, sowie in immunbiologischen Praktika erarbeitet,
beruhen aber im wesentlichen auf den in den
Referenzen angegebenen allg. Lehrmaterialien, insbesondere auf dem Werk von J. Neumann
[a1],
das an dieser Stelle nochmals als Einstieg in das Thema Immunbiologie empfohlen werden kann, obwohl es doch einige kleinere Ungenauigkeiten und Fehler enthält, die sich allerdings erst nach Vertiefung in die Materie offenbaren.
Da somit die meisten Einträge dieses Glossars auf allg. Lehrbüchern basieren, die um etliche, öffentlich zugängliche Informationen aus den angegebenen
Resourcen des World Wide Web
ergänzt wurden, ist auf die exakte Quellenangabe jeder Einzelinformation verzichtet worden, auch um die Leserlichkeit zu erhalten. Bei eingegrenzten, sehr speziellen oder weiterführenden und auch unter Umständen
nicht öffentlich zugänglichen Informationen sind Quellen- und Literaturangaben im jeweiligen Glossareintrag vermerkt, insb. die häufig verwendeten Links zur
UniProt Protein Datenbank
enthalten i.d.R. weitere Verweise auf massgebliche Veröffentlichungen.
Es sei ferner darauf hingewiesen, dass aufgrund der Entstehungsweise dieses Glossar nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.
So bleibt die Zusammenstellung der Fachbegriffe tlw. lückenhaft und inkohärent, was dem interessierten Leser jedoch auch Anlass zur eigenständigen Recherche geben kann.
Zudem sind sicherlich auch Ungenauigkeiten, Fehler, 'broken links' o.ä. zu verzeichnen; ich hoffe dennoch, dass dieses Glossar der oder dem einen oder anderen nützliche Dienste erweist.
In diesem Zusammenhang sei hiermit auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass u.U. medizinisch relevante Informationen nur zu reinen Informationszwecken verwendet wurden und dementsprechend auch
nur in dieser Weise genutzt werden sollten. Die in diesem Glossar veröffentlichten Informationen beabsichtigen bzw. ersetzen in keinster Weise eine ärtzliche oder klinische Diagnose oder Behandlung.
Kurzer Abriss über die Evolution des Immunsystems:
Obwohl Pflanzen auch über Mechanismen zur Abwehr von Pathogenen verfügen, sind Vorgänge im Sinne einer Immunabwehr charakteristisch für das Tierreich.
Sie finden sich in nahezu allen Tierstämmen der
Metazoa (mehrzellige Tiere) und
weisen auf eine frühe evolutionäre Entwicklung, aber auch auf die damit verbundenen Notwendigkeiten solcher Mechanismen hin.
Als frühe evolutionäre Entwicklungen können u.a. Vorgänge der zellulären Entgiftung,
phagozytierende Zellen oder molekulare Komponenten,
wie etwa antimikrobiell wirkende
Peptide und
Proteine oder andere,
häufig dem
Complementsystem der
Vertebrata (Wirbeltiere) nicht unähnliche Faktoren, gelten.
Diese Mechanismen zur Abwehr von Pathogenen sind genetisch determiniert und fester Bestandteil des Erbgutes eines Organismus.
Daher werden verallgemeinernd alle derartig genetisch festgelegten Vorgänge der Immunabwehr unter dem Begriff 'angeborenes Immunsystem' (
engl. innate immunity) zusammengefasst.
Unter den molekularen Abwehrmechanismen der Invertebraten (Wirbellose) sind insb. die meist
humoralen, antimikrobiell wirkenden Peptide bzw. Proteine hervorzuheben.
Neben dem im Tierreich weit verbreiteten
Lysozym sind bspw. bei den
Insecta (Insekten) induzierbare Peptide nachgewiesen worden,
die die
Zellmembranen potentiell pathogener
Organismen,
wie Bakterien, Pilze oder Protozoen, perforieren und so diese Zellen
lysieren und unschädlich machen.
Damit ähneln diese Substanzen in ihrer Wirkung den auch bei den Wirbeltieren verbreiteten
bakteriziden Molekülen,
wie sie bspw. im Complementsystem oder in den
Granula von
Granulozyten und cytotoxischen T-Zellen (
CTL) anzutreffen sind.
Zu dieser Art von antimikrobiellen Peptiden der Insekten zählen u.a. das antifugal wirkende Drosomycin, das antibakterielle Diptericin, die sog. Cecropine oder die Defensine, wobei letztgenannte wenig Gemeinsamkeiten mit den gleichnamigen Peptiden der
Vertebrata aufweisen.
Grundsätzlich lässt sich bei allen antimikrobiellen Peptiden und Proteinen eine hohe Diversität hinsichtlich ihrer Zusammensetzung aus
Aminosäuren feststellen,
was auf eine Anpassung an die spezifisch auftretenden Pathogene hindeutet, denen die einzelnen Organismen sich zu erwehren haben.
Doch trotz der chemischen Unterschiede bestehen strukturell-funktionale Gemeinsamkeiten, insofern viele dieser Verbindungen amphiphatische Eigenschaften aufweisen,
die ihnen ermöglichen mit den Zellmembranen von Mikroorganismen zu interagieren.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass bestimmte Rezeptoren oder Elemente der intrazellulären Signalwege, die u.a. zur Aktivierung der antimikrobiellen Peptide führen,
nicht nur über Tierstämme hinweg konserviert erhalten sind,
sondern auch in Pflanzen auftreten, was darauf schliessen lässt, dass Mechanismen zur molekularen Abwehr von Mikroorganismen sehr früh in der
eukaryotischen Evolution entwickelt worden sind.
Insb. Toll-ähnliche und
LRR-Motive in sog. Mustererkennungsrezeptoren,
engl. pattern recognition receptors (abgk.
PRR), oder auch die weit verbreiteten
Lektine,
deuten auf einem gemeinsamen Ursprung in der Perzeption von hochkonservierten, molekularen Strukturen in Pathogenen hin,
die zu einer spezialisierten molekularen Abwehr in Form antimikrobieller Peptide und Proteine geführt hat.
[s1]
Ein weiteres, molekulares Abwehrsystem der Invertebraten stellt das bei verschiedenen
Arthropoda, insb. in den Gruppen der
Insecta und
Crustacea, und
Annelida anzutreffende Pro-Phenol-Oxidase System dar,
das darauf ausgerichtet ist, mikrobielle Pathogene zu immobilisieren und so unschädlich zu machen.
Im Gegensatz zu der hohen Diversität antimikrobieller Peptide und Proteine scheint dieser Mechanismus der molekularen Immunabwehr stärker konserviert zu sein;
zumindest weisen die bisher untersuchten Arten weiterreichende Homologien auf.
Zentrales Element dieses Abwehrsystems ist das
Enzym Phenoloxidase (PO),
das aus einer als Prophenoloxidase (proPO) bezeichneten Vorstufe in mehreren Schritten durch
Serin-
Proteasen in die wirksame Form überführt wird.
Diese Kaskade von Enzymreaktionen, die gewisse Analogien zu den Mechanismen des Complementsystems aufweist,
hat zur Folge, dass aus Phenolen und Sauerstoff durch die aktivierte Phenoloxidase Quinone gebildet werden,
die in weiteren Schritten zur Synthese von Melanin verwendet werden.
Mit dem gebildeten Melanin werden potentiell pathogene Partikel im Vorgang der sog. Melanisierung (
engl. melanization) eingeschlossen und immobilisiert.
Auch scheinen die bei diesem Vorgang gebildeten Vor- und Nebenprodukte bereits antimikrobielle Wirkung zu entfalten und zur Abtötung der Pathogene beizutragen.
[s2]
Zelluläre Abwehrmechanismen treten unter den Invertebraten bereits bei den
Porifera (Schwämme) und
den
Cnidaria (Nesseltiere) auf, wo spezielle phagozytierende Zellen (Phagozyten) i.d.L. sind,
körperfremde Partikel aufzunehmen, diese u.U. zu verdauen und damit unschädlich zu machen.
Als Geburtsstunde der zellulären Immunologie gilt insb. ein klassisches Experiment des russ. Zoologen Ilja Metschnikow, der 1882 in den
Bipinnaria-Larven von
Asteroidea (Seesterne),
die zu den wirbellosen
Echinodermata (Stachelhäuter) zählen,
einen Rosenstachel einstach und beobachtete, dass amöboid bewegliche Phagozyten diesen Stachel attackierten.
Diese Entdeckung ermöglichte die folgerichtige Interpretation der Funktion menschlicher Phagozyten, v.a. der
Makrophagen,
als Teil einer zellulären Immunabwehr von körperfremden Partikeln.
Aufgrund der Bedeutung dieser grundlegenden Erkenntnisse wurde Metschnikow 1908 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet
[s3].
Die molekularen und zellulären Abwehrmechanismen der Invertebraten können gut mit den Vorgängen des 'angeborenen' Immunsystems der Wirbeltiere in Zusammenhang gebracht werden,
obwohl eine Homologisierung dieser Mechanismen bei den verschiedenen Taxa im Sinne von strikten, evolutionär-phylogenetischen Abstammungsverhältnissen nicht immer möglich erscheint.
So wird das angeborene Immunsystems der Wirbeltiere von antimikrobiellen Peptiden und Proteinen, einschliesslich der des Complementsystems, diversen spezialisierten Phagozyten (Granulozyten, Makrophagen,
Mastzellen),
sowie den zur Lyse anderer Zellen befähigten
natürlichen Killerzellen konstituiert.
Mit Sicherheit kann man behaupten, das sich mit zunehmender Komplexität der Organismen sich auch die Mechanismen der Immunabwehr weiterentwickelt haben.
Dies gilt insb. für die Entwicklung innerhalb der
Chordata (Chordatiere).
So sind bei den
Ascidiae (Seescheiden) bereits Mechanismen der Auto- und Allorekognition,
also der Unterscheidung von Selbstantigenen und Antigenen anderer Artgenossen, nachgewiesen worden, die als Frühform eines
MHC ähnlichen Systems interpretiert werden können
[s4].
Hinweise auf Formen eines 'Proto-MHC', sowie den T-Zell-Rezeptoren (
TCR) ähnliche Proteine konnten durch genomische Untersuchungen auch an dem Lanzettfischchen
Branchiostoma (
Amphioxus) nachgewiesen werden.
Ferner wurden im
Branchiostoma-Genom Sequenzhomologien entdeckt, die auf einen frühen Ursprung von Molekülen der Immunglobulin-Superfamilie hindeuten.
Das Vorhandensein solcher Homologien ist unter evolutionären Gesichtspunkten insofern interessant, als
Branchiostoma taxonomisch den
Cephalochordata bzw.
Acrania zugerechnet wird und damit einer Gruppe angehört,
die phylogenetisch basal zu den Vertebraten steht, aber weder ein ausgeprägtes Gefässsytem, noch
Lymphozyten besitzt.
[s5]
Eine sich auf die gegebenen Bedingungen anpassende Immunabwehr, die im allg. als adaptive oder erworbene Immunabwehr (
engl. 'adaptive' oder 'aquired immune system') bezeichnet und den Mechanismen des angeborenen Immunsystems gegenübergestellt wird,
findet sich erst bei den
Gnathostomata, begann sich also vor ca. 400-450 Mio. Jahren zu entwickeln.
Die charakteristischen Merkmale des adaptiven Immunsystems, wie MHC, T- und B-Lymphozyten, sowie die Produktion variabler
Antikörper findet sich unter den rezenten Arten beginnend mit den
Chondrichthyes (Knorpelfische) und
bleibt bis zu den Primaten erhalten (s. bspw.
[s6] u.
[s7]).
Kennzeichnend für die Komponenten des adaptiven Immunsystems ist deren grosse Variabilität, die zwar einerseits durch einen ausgeprägten
Polymorphismus der
beteiligten
Gene (z.B. die HLA-Gene des MHC II), aber andererseits durch besondere genetische Mechanismen zustande kommt,
die als V(D)J-Rekombination,
DNA-Rearrangement und
somatische Hypermutation bezeichnet werden.
V.a. die im Zuge der V(D)J-Rekombination auftretenden Mechanismen des DNA-Rearrangements unterscheiden das angeborene von dem adaptiven Immunsystem,
da es sich hier nicht um eine vererbbare Variabilität handelt, sondern neue Kombinationen von bestimmten Gensegmenten während der Individualentwicklung auftreten.
Phylogenetische Vergleiche schienen in diesem Zusammenhang zu bestätigen, dass die sog.
RAG-Enzyme, sowie die zugrundeliegenden Gene,
die das DNA-Rearrangement und damit die Variabilität der V(D)J-Rekombination ermöglichen, ausserhalb der
Gnathostomata nicht auftreten.
Aufgrund dieses Befundes sowie anderer Indizien wurde vermutet, dass die RAG-Gene durch horizontalen Gentransfer von
Prokaryoten im Laufe der Evolution der
Chordata oder
sogar
Deuterostomia ("Neumünder") in diese Entwicklungsrichtung eingeflossen sind und
so die Ausbildung eines adaptiven Immunsystems erst ermöglicht haben.
Später konnten jedoch RAG-ähnliche Gene und deren Proteinprodukte in dem zu den
Echinodermata zählenden Seeigel
Strongylocentrotus purpuratus nachgewiesen werden,
ohne dass jedoch die genaue Funktion dieser Proteine in diesem Organismus bekannt wäre.
Da die
Echinodermata phylogenetisch an der Basis der
Deuterostomia eingeordnet werden, bei den Echinodermen jedoch keine den Wirbeltieren ähnliche Funktionen des Immunsystems bekannt sind,
erscheint die Entwicklung des adaptiven Immunsystems möglicherweise über eine Umfunktionierung eines ursprünglich vorhandenen Rekombinationssystems verlaufen zu sein,
wobei die Herkunft der zugehörigen Gene jedoch weiterhin ungeklärt bleibt.
[s8]
Interessant erscheint unter dem Gesichtpunkt der Evolution des adaptiven Immunsystems auch, dass die Entwicklung eines solchen anpassungsfähigen Immunsystems sich innerhalb der Chordaten anscheinend parallel mit
Veränderungen der Lebens- und Ernährungsgewohnheiten, nämlich von bodenlebenden,
sessilen Suspensionsfressern zu
vagilen carni- bzw.
omnivoren Organismen vollzogen hat.
Zudem fand während der Stammesentwicklung der
Vertebrata neben der Ausbildung von Knochen auch eine Weiterentwicklung des Gefässsystems statt, einhergehend mit der Bildung von mit einem Endothel ausgekleideten Adern, Blut und einem Herz.
So hat sich nach einer weit verbreiteten Auffassung das adaptive Immunsystem aus der Notwendigkeit heraus entwickelt, das mit diesen Veränderungen verbundene Spektrum von vorhandenen oder neuartigen Pathogenen zu erkennen und unschädlich zu machen.
Fussend auf den Befunden an basalen Chordatieren steht dem eine Interpretation gegenüber,
nach der das adaptive Immunsystem sich erst sekundär aus einem bereits vorhandenen System zur Allo- und Autorekognition entwickelt hat,
indem bestimmte Abstossungsreaktionen von gleichartigen (d.h. innerartlichen), aber körperfremden (also individuum- bzw. koloniefremden) Zellen und Substanzen sukzessive zur Bekämpfung von xenogenen Komponenten umfunktioniert worden sind.
[s9]
Anmerkungen zur Immunologischen Forschung:
Trotz der weiten Verbreitung immunologischer Vorgänge im Tierreich und obwohl als 'Glossar der Fachbegriffe der Immunbiologie' konzipiert, setzt dieses Glossar einen Schwerpunkt auf das Immunsystem des Menschen und den damit verbundenen Mechanismen,
nicht zuletzt auch deshalb, weil der Mensch naturgemäss im Zentrum der immunologischen Forschung steht und daher die Fülle der Informationen hier am grössten ist.
Da viele der immunologischen Prozesse des Menschen über das Blut vermittelt werden, finden sich in diesem Glossar zudem auch viele Fachbegriffe aus der Hämatologie,
also der Wissenschaft des Blutes wieder. Ein weiteres medizinisches Spezialgebiet, dessen Inhalte eng mit der Immunbiologie verwoben sind, stellt die Onkologie,
als die Wissenschaft der Krebserkrankungen, dar. Aber auch viele Aspekte der Mikrobiologie, Zellbiologie und Genetik, sowie der Ernährungswissenschaften sind eng mit immunbiologischen Fragestellungen "verzahnt",
so dass das Fachgebiet der Immunbiologie über weite Strecken einen ausgeprägten interdisziplinären Charakter aufweist.
Dem immunologisch Interessierten und v.a. angehenden Studenten der Medizin und Biologie, die sich in die Fachrichtung der Immunologie bewegen, sollte darüberhinaus klar sein,
das ein sehr grosser Teil der immunologischen Forschungsergebnisse durch massiven Einsatz von Versuchstieren erzielt werden.
Hiebei spielen häufig bestimmte Affenarten, aber insb. das Maus-Modell eine grosse Rolle, so dass vielversprechende Hypothesen und Theorien der Immunologie i.d.R. zunächst am Tier-Modell (v.a. Mäusen) erprobt und überprüft werden.
Daher ist die Anatomie und insb. die Genetik der Maus meist elementarer Bestandteil der immunologischen Forschung.
Diese Praxis der breiten Anwendung von Tierversuchen ist nicht 'jedermanns Sache' und häufig scheiden sich hier die Geister,
so dass es sich lohnt, über die ethischen Implikationen der immunologischen Forschung nachzudenken und einen eigenen Standpunkt zu entwickeln.
Auch andere Aspekte der Immunbiologie, insb. die Möglichkeiten, die sich aus der Anwendung der gewonnenen Erkenntnisse ergeben,
bieten reichlich Stoff für kontroverse Sichtweisen, aber auch für kühne "Forscherträume".
Stichwortartig sei hier nur auf Entwicklungen der Stammzellforschung, der Organ- und Gewebetransplantation, der Züchtung künstlicher Organe oder Anwendungen von Gentherapien hingewiesen.
Hier offenbart sich einmal mehr, dass nicht alles was wissenschaftlich-technisch machbar ist oder zumindest möglich erscheint, auch gleichzeitig gesellschaftlich oder ethisch-moralisch akzeptiert und legitimiert wird.
Dennoch oder vielleicht gerade wegen dieser Entwicklungen, aber auch aufgrund der immensen Komplexität der Zusammenhänge bleibt die Immunbiologie ein faszinierendes und herausforderndes Forschungs- und Wissenschaftsgebiet.
So stellt sicherlich eine der grössten gegenwärtigen Herausforderungen der Immunbiologie die Integration der nahezu exponentiell anwachsenden Erkenntnisse dar.
D.h. wie kann aus den vielen, u.U. mit hohem technischen Aufwand gewonnenen Detailerkenntnisse von bspw. veränderten Nucleotiden immunologisch relevanter Gene oder
spezifisch wirkenden Proteindomänen in diversen Signalwegen eine stimmiges Gesamtbild entwickelt werden,
das sich auch unter systemischen Gesichtspunkten harmonisch in das Wissen vom gesunden Menschen einfügt und entsprechende Behandlungsmethoden und Prophylaxen von Immunkrankheiten ermöglicht.
Vom wissenschaftstheoretischen Standpunkt her, aber sicher auch von nicht zu unterschätzenden medizinischen Interesse geleitet, kann die vergleichende Immunologie durch Erschliessung der phylogenetischen Zusammenhänge,
aber auch der evolutionären Einflussgrössen, wie z.B. der durch Pathogene ausgeübte Selektionsdruck, einen wichtigen Beitrag zum Gesamtverständnis der komplexen und mannigfaltigen Mechanismen von Immunität vermittelnden Systemen leisten.
Mit aktuellem Bezug und exemplarisch für die manchmal gegenläufigen Tendenzen und die gesellschaftlichen, epidemiologisch bedeutsamen Verwicklungen der immunologischen Forschung sei hier auf die zukünftige Entwicklung von Krebserkrankungen hingewiesen,
die von mehreren Organisationen in sog. Zukunftsberichten veröffentlicht werden.
Die der Weltgesundheitsorganisation
WHO zugeordnete Internationale Agentur für die Erforschung von Krebserkrankungen,
engl. International Agency for Research on Cancer (IARC), hat in ihrem
Weltkrebsreport 2014 prognostiziert,
dass die Anzahl der weltweiten Krebserkrankungen u.a. wegen des allg. Bevölkerungswachstums und der erhöhten Lebenserwartung ansteigen wird (s. bspw. auch die Artikel
'Weltkrebsbericht warnt vor drohendem Anstieg der Erkrankungszahlen.' und
Wessen Zukunft sichert das alles? im
Deutschen Ärzteblatt).
Laut dem Report
'The State of Cancer Care in America, 2014' der
American Society of Clinical Oncology (ASCO) wird in den USA die Zahl der Krebsneuerkrankungen bis 2030 um 45 % steigen und der Krebs sich zur Todesursache Nr. 1 entwickeln
(s.a. den
CNN Artikel
Report: Cancer will be No. 1 killer in U.S.).
Ähnliche Entwicklungen werden auch für andere Länder vorausgesagt.
Auf der anderen Seite stehen heute mehr Therapiemöglichkeiten denn je zur Verfügung, die die Überlebenswahrscheinlichkeit von an Krebs erkrankten Menschen stark gesteigert haben.
Diese Entwicklungen deuten auf ein Dilemma hin, in dem der medizinische Fortschritt neben anderen Faktoren zwar zur einer verlängerten Lebensdauer und auch zum Bevölkerungswachstum beiträgt,
auf der anderen Seite aber genau dadurch altersbedingte Erkrankungen (und bekannlich steigt ja das Krebsrisiko mit steigendem Alter) zunehmen.
Da die immunologische Forschung und Therapie, nicht anders als die medizinische Forschung im allgemeinen auch, mit hohem technischen Aufwand betrieben wird und tlw. astronomisch anmutende Summen investiert werden,
ergeben sich zusätzliche Problematiken aus den Kosten und der Erschwinglichkeit von Forschung und v.a. den Behandlungsmöglichkeiten.
Solche Prognosen lassen darauf schliessen, dass die Immunologie auch in Zukunft ein wachsendes Forschungsgebiet bleiben wird,
deuten aber, unter dem bereits schon angedeuteten Gesichtspunkt der Integration von Erkenntnissen, auch darauf hin,
dass nicht nur das Ziel einer erhöhten Lebenserwartung, sondern auch der Weg dorthin, zunehmend in den Fokus immunbiologischer Forschung rücken wird.