Mikrobiologisches Praktikum

- Isolierung von Milchsäurebakterien -



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Versuchsziel:

In diesem Versuch sollen Milchsäurebakterien aus Joghurt isoliert werden und deren Keimzahl bestimmt werden.

Theoretische Grundlagen:

Die Bezeichnung Milchsäurebakterien ist ein Oberbegriff, der auf dem physiologischen Merkmal der zur Milchsäuregärung befähigten Bakterien beruht. Diese vergären obligat und unter anaerober Lebensweise Zucker zu Milchsäure. Taxonomisch zählt man die Milchsäurebakterien zu den gram-positiven Bakterien und hier zu der Ordnung der Lactobacilliales. Zu diesen gehört die stäbchenförmige Gattung Lactobacillus, aber auch runde, kokkoide Formen, wie die Gattungen Streptococcus, Enterococcus oder Leuconostoc. Die Gattung Bifidobacterium hingegen wird den gram-positiven Actinobacteria zugeordnet. Das hauptsächliche Substrat der Milchsäurebakterien ist das Disaccharid Lactose, welches durch das Enzym β-Galactosidase in die Monosaccharide Glucose und Galactose gespalten wird. Aber auch zur Verwertung anderer Einfachzucker sind die Milchsäurebakterien je nach Art befähigt. Die Monosaccharide werden, von der Glucose ausgehend, in der Glykolyse verwertet und dann, vom Pyruvat ausgehend, zu Lactat vergärt. Man unterscheidet zwei grundsätzliche Vergärungswege, den homofermentativen, bei dem pro Mol Glucose zwei Mol Lactat gewonnen werden und den heterofermentativen, bei dem pro Mol ein Mol Lactat, ein Mol Ethanol und ein Mol Kohlendioxid entsteht. Im heterofermentativen Vergärungsweg sind die Bakterien überdies in der Lage auch Pentosen, die aus der Verwertung von pflanzlichen Hemicellulosen stammen, zu verwerten. Natürlich kommen Milchsäurebakterien in den Schleimhäuten und Darmtrakt der Vertebrata (Wirbeltiere), bei anaerob sich zersetzendem Pflanzenmaterial und überall dort vor, wo sie Lactose finden, wie z.B. an den Eutern von Kühen. Aufgrund ihres hohen Anspruchs an das Nährmedium und der anaeroben Lebensweise kommen Milchsäurebakterien i.d.R. nicht freilebend in der Luft oder dem Boden vor. Die anaerobe Lebensweise bedingt auch die Abwesenheit bestimmter Enzyme, so dass die Milchsäurebakterien insb. als Oxidase- und Katalase-negativ typisiert werden. Dennoch können sie unter oxischen Bedingungen überleben, weshalb sie als aerotolerant bezeichnet werden. Die Tatsache, dass Milchsäurebakterien durch ihre Lactat-Produktion das umgebende Medium ansäuern und dadurch das Wachstum anderer Bakterienarten unterbinden, hat sie zu unentbehrlichen "Helfern" in der Lebensmittelproduktion gemacht. Sie werden zur Joghurt-, Käse-, Wurst-, Sauerkraut- oder Silageherstellung benötigt, wo sie nicht zuletzt auch wegen ihrer geschmacksbildenden Eigenschaften, z.B. durch das, als Nebenprodukt der Milchsäuregärung entstehende, Dicacetyl, welches ein "Butteraroma" hervorbringt, eingesetzt werden. Verwendet man auch in der natürlichen Darmflora des Menschen vorkommende Arten als Starterkulturen der Lebenmittelherstellung spricht man von probiotischen Kulturen. Es existieren aber auch pathogene Vertreter der Milchsäurebakterien, wie Streptococcus salivarius, der als Kariesverursacher gilt oder Streptococcus pyogenes, dem Erreger des Scharlachs.
Um die Milchsäurebakterien in der Mikrobiologie zu kultivieren, bedient man sich "fetter" Komplexmedien, die aufgrund der Säureentwicklung gut gepuffert sein sollten. Aufgrund des unterschiedlichen pH-Optimums der einzelnen Arten lassen sich Selektivmedien herstellen, die z.B. Lactobacillus, das auch bei einem niedrigen pH-Wert noch in der Lage ist, zu wachsen, von anderen Arten, wie z.B. Streptococcus abzutrennen. Ferner lassen sich über Differentialmedien spezielle Stoffwechseleigenschaften der Milchsäurebakterien hervorheben. So wird z.B. ein Chinablau-Agar verwandt, um eine Lactoseverwertung durch eine farbliche Indikatorreaktion (Umschlag nach blau) sichtbar anzuzeigen. [1], [2], [3], [4]

Versuchsdurchführung:

1. Woche
In der ersten Woche wurde jeweils mit einem sterilen Löffel 10 g einer Probe von zwei verschiedenen probiotischen Joghurts (je einer pro Versuchgruppe, s. Abb. 1) entnommen und in einen Stomacher-Beutel überführt. Dem Beutel wurden 90 ml einer Natriumchlorid-Pepton-Nährlösung (Zusammensetzung s.u.) zugegeben. Dann wurde der Beutel verschlossen und in einem sog. Stomacher (s. Abb. 2) für ca. 1 min dispergiert. Nach Entnahme des Beutels aus dem Stomacher wurde von seinem Inhalt 1 ml abpipettiert und zu 9 ml der Natriumchlorid-Pepton-Lösung gegeben. Diese Suspension wurde gut durchmischt und davon eine Verdünnungsreihe mit dezimalen Verdünnungsstufen bis zu einer Verdünnung von 1:106 (Verdünnungsstufe 10-6) angefertigt. Nun wurden die Verdünnungsstufen 10-4, 10-5 und 10-6 mittels dem Spatelplattenverfahren (Verfahrensweise s. Versuch E2) auf Selektivmedien aufgebracht und zwar wurden Inoculi der Verdünnungsstufen mit einem Drigalskispatel auf einem M17-Agar (Zusammensetzung s.u.), der selektierend für Streptococcus wirkt, und einem Rogosa-Agar (Zusammensetzung s.u.), der selektierend für Lactobacillus wirkt, ausgespatelt, so dass ingesamt 6 Agarplatten erhalten wurden. Diese wurden mit der Unterseite nach oben in einen Anaerobentopf (s. Abb. 3) überführt und anaerob 5 Tage bei Dunkelheit und 35 °C inkubiert (Verfahren Anaerobentopf s.a. Versuch G), wobei die Rogosa-Platten in einem separaten Anaerobentopf, in sog. "feuchter Kammer", (einem Anaerobentopf, dessen Bodem mit etwas Wasser bedeckt wird, um eine Austrocknung der Agarplatten zu vermeiden), bebrütet wurden.

Die Nährlösung und die Agar hatten folgende Zusammensetzung:

Natriumchlorid-Pepton-Nährlösung
zu 1000 ml Aqua demin. wurden zugesetzt:
  • 7,23 g Di-Natriumhydrogenphosphat-Hydrat (Na2HPO4 x 2 H2O)
  • 4,30 g Natriumchlorid (NaCl)
  • 3,56 g Kaliumdihydrogenphosphat (KH2PO4)
  • 1,00 g Pepton aus Fleisch, peptisch verdaut
Die Nährlösung hatte einen pH-Wert von 7,0.

M17-Agar (Streptococcus-Nährboden)
zu 1000 ml Aqua demin. wurden zugesetzt:
  • 19,0 g Dinatrium-β-glycerophosphat
  • 15,0 g Agar
  • 5,0 g Fleischextrakt
  • 5,0 g Lactose
  • 5,0 g Pepton aus Sojamehl, papainisch verdaut
  • 2,5 g Pepton aus Casein, tryptisch verdaut
  • 2,5 g Pepton aus Fleisch, peptisch verdaut
  • 2,5 g Hefeextrakt
  • 0,5 g Ascorbinsäure
  • 0,25 g Magnesiumsulfat-Hydrat (MgSO4 x 7 H2O)
Der Agar wurde mit 1 molarer HCl auf einen pH-Wert von 6,8 eingestellt.

Rogosa-Agar (Lactobacillus-Nährboden)
zu 1000 ml Aqua demin. wurden zugesetzt:
  • 20,0 g Glucose
  • 15,0 g Agar
  • 15,0 g Natriumacetat, wasserfrei
  • 10,0 g Pepton aus Casein, pankreatisch verdaut
  • 6,0 g Kaliumdihydrogenphosphat (KH2PO4)
  • 5,0 g Hefeextrakt
  • 2,0 g Diammoniumhydrogencitrat
  • 1,0 g Polysorbat 80 (Tween® 80)
  • 0,58 g Magnesiumsulfat-Hydrat (MgSO4 x 7 H2O)
  • 0,12 g Mangansulfat-Hydrat (MnSO4 x 2 H2O)
  • 0,04 g Eisensulfat-Hydrat (FeSO4 x 7 H2O)
Der Agar wurde mit ca. 1,3 ml 96 %-iger Essigsäure auf einen pH-Wert von 5,5 eingestellt und für 2-3 min auf 90-100° C erhitzt.

Joghurt Probe Stomacher Anaerobentopf
Abb. 1: Joghurt ProbeAbb. 2: StomacherAbb. 3: Anaerocult® Anaerobentopf, befüllt

2. Woche
In der zweiten Woche wurden die Agarplatten ausgewertet, indem die Koloniebildung morphologisch charakterisiert und die Anzahl Kolonien ermittelt wurde. Dann wurde von einer gut gewachsenen Kolonie der 10-5 Verdünnungsstufe von jeweils dem Rogosa-Agar und dem M17-Agar mit der ausgeglühten Impföse ein Inoculum entnommen und in einer bereitgestellten Pepton-Salz-Lösung suspendiert. Zum Zwecke der differentiellen Charakterisierung wurde ein Inoculum der Suspension des Rogosa-Materials im 13-Strich-Verfahren auf einem MRS-Agar (Zusammensetzung s.u.) ausgestrichen und ein Inoculum der Suspension des M17-Materials wurde auf einem Chinablau-Lactose-Agar (Zusammensetzung s.u.) im 13-Strich-Verfahren ausgestrichen. Diese Agarplatten wurden bei 35 °C und Dunkelheit im Anaerobentopf für 2 Tage inkubiert. Je eine Agarplatte mit gut ausgebildetem Koloniewachstum wurde für den Katalasetest des Versuchs D2 zurückgestellt.
Die Differentialmedien hatten folgende Zusammensetzung:

MRS-Agar
zu 1000 ml Aqua demin. wurden zugesetzt:
  • 20,0 g Glucose
  • 15,0 g Agar
  • 10,0 g Pepton aus Casein
  • 8,0 g Fleischextrakt
  • 5,0 g Natriumacetat, wasserfrei
  • 4,0 g Hefeextrakt
  • 2,0 g Di-Kaliumhydrogenphosphat (K2HPO4)
  • 2,0 g Diammoniumhydrogencitrat
  • 1,0 g Polysorbat 80 (Tween 80)
  • 0,2 g Magnesiumsulfat-Hydrat (MgSO4 x 7 H2O)
  • 0,04 g Mangansulfat-Hydrat (MnSO4 x 2 H2O)
Der Agar hatte einen pH-Wert von ca. 5,7.

Chinablau-Lactose-Agar
zu 1000 ml Aqua demin. wurden zugesetzt:
  • 15,0 g Agar
  • 10,0 g Lactose
  • 5,0 g Pepton aus Casein, tryptisch verdaut
  • 5,0 g Natriumchlorid (NaCl)
  • 3,0 g Fleischextrakt
  • 2,0 g Diammoniumhydrogencitrat
  • 0.375 g Chinablau
Der Agar hatte einen pH-Wert von 7.

3. Woche
In der dritten Woche wurden die Differentialmedien ausgewertet, indem die Koloniebildung morphologisch charakterisiert wurde und jeweils ein Inoculum einer gut gewachsenen Kolonie suspendiert und mikroskopiert wurde.

Ergebnis:

2. Woche
Die Auszählung der Kolonien der Selektivmedien ist in der folgenden Tabelle dargestellt:

Tab. 1: Kolonieauszählung der Selektivmedien
Verdünnungsstufe:10-410-510-6
M17-Agar (Streptococcus):> 300> 300147
Rogosa-Agar (Lactobacillus):174601

Aus der Kolonieauszählung errechneten sich folgende gewogene arithmetische Mittelwerte für die Lebendzellzahl in einem Milliliter des Ausgangsprobenmaterials:
Streptococcus: Cgew. = 147 × 106 KbE/ml
Lactobacillus casei: Cgew. = 212,72 × 105 KbE/ml


Die Charakterisierung der Koloniemorphologie der Selektivmedien ist in der folgenden Tabelle dargestellt:

Tab. 2: Kolonienmorphologie der Selektivmedien
 FarbeDurchmesserFormRandProfilOberflächeKonsistenzNährbodenverfärbung
M17-Agar (Streptococcus):weiss1-2 mmknopfförmigglatt, rundleicht konvexglatt, mattbutterig-
Rogosa-Agar (Lactobacillus):durchscheinend-weiss1-2 mmkreisrundglatt, rundflachglatt, mattschleimig-

3. Woche
Die Charakterisierung der Koloniemorphologie der Differentialmedien ist in der folgenden Tabelle dargestellt:

Tab. 3: Kolonienmorphologie der Differentialmedien
 FarbeDurchmesserFormRandProfilOberflächeKonsistenzNährbodenverfärbung
Chinablau-Agar (Streptococcus):blau1-2 mmkreisrundglattflach bis konvexglatt, glänzendgelartig/butterig-
MRS-Agar (Lactobacillus):weiss1-4 mmkreisrundglattkonvexglatt, glänzendschleimig-



Ergebnisdiskussion:

Aus den Ergebnissen der Kolonieauszählung der Verdünnungsstufen liess sich die Keimzahl bzw. Lebendzellzahl mittels des gewogenen arithmetischen Mittelwertes errechnen. Der Rechenweg ist im folgenden noch einmal dargestellt (s.a. Versuch E2):
Für Streptococcus thermophilus liess sich nur der Wert aus der Verdünnungsstufe 10-6 verwenden, da die anderen Auszählungsergebnisse über 300 Kolonien lagen und somit über der üblichen Grenze zur Beschränkung des systematischen Fehlers. Somit errechnet sich der Wert des gewogenen arithmetischen Mittelwertes der Lebendzellzahl für Streptococcus zu:
Cgew. = (147 / ( 1 × 1 )) × 106 = 147 × 106 KbE/ml

Für Lactobacillus casei liessen sich zwei der Verdünnungsstufen verwerten, die innerhalb des Intervalls 30 - 300 lagen, hier ergab sich die Berechnung des gewogenen arithmetischen Mittelwertes zu:
Cgew. = (174 + 60 / ( 1 × 1 ) + ( 1 × 0,1 )) × 105 = 212,72 × 105 KbE/ml

Diese Ergebnisse stimmen auch in etwa mit den üblichen, bekannten Keimzahlen in Milchprodukten überein.
Die Ausstriche auf den Differentialmedien kann man als erfolgreich bezeichnen, da die Kolonien homogen und augenscheinlich ohne Kontamination waren. Auch der mikroskopische Befund bei 400-facher Vergrösserung zeigte ein homogenes Bild der untersuchten Kolonien, ebenso entsprach die Koloniemorphologie den Charakteristiken von Streptococcus bzw. Lactobacillus, so dass man (mit Einschränkungen) davon ausgehen kann, dass die Isolierung von Reinkulturen gelungen war. Insbesondere die Reaktion des Chinablau-Agars zeigte an, dass es sich bei den Kolonien tatsächlich ausschliesslich um Streptococcus handeln musste, da alle Kolonien durch das mit der Lactose aufgenommene Chinablau und die anschliessende Indikatorreaktion auch blau angefärbt waren.

Referenzen:

[1] Bast, E. 'Mikrobiologische Methoden', 2. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag 2001
[2] Fuchs, G. (Ed.) 'Allgemeine Mikrobiologie', 8. Auflage, Georg Thieme Verlag 2007
[3] MicrobeWiki, Kenyon College, Gambier, OH, USA, Lactobacillus
[4] MicrobeWiki, Kenyon College, Gambier, OH, USA, Streptococcus



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Letzte Aktualisierung: 02.02.24